Unser Haar war während der ganzen Menschheitsgeschichte den extremsten Moden unterworfen – aber nicht nur das AUF dem Kopf, sondern auch das im Gesicht: Unsere Augenbrauen nehmen eine Sonderstellung ein, weil sie eine große Rolle für Mimik und gegenseitige Wahrnehmung spielen. Und so sagte die jeweilige „Modefrisur“ der Augenbrauen auch oft etwas über die Zeit aus, in der sie angesagt war. Etwa zauberte sie in den wilden 20ern in hohem Bogen einen lasziven Schlafzimmerblick in die Gesichter der Damen. Und in der Tat waren in der Zeit der Flapper die sozialen Normen weitaus lockerer als etwa in den 50ern.

Aber gehen wir einmal einen Schritt weiter zurück, und zwar einen großen!

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Zwei Drittel aufsteigend, ein Drittel absteigend, so sagt man heute, dass sie sein soll – die perfekte Augenbraue. Und das galt offenbar schon im alten Ägypten, wie man an der berühmten Nofretete-Büste sieht. Obwohl Augenbrauen möglicherweise nie zuvor und auch nie später wieder so königlich ausgesehen haben!

Die Brauen wurden damals übrigens in Form gebracht und dann mit dunkler Schminke nachgezogen, die neben Ruß und Eisenoxid teilweise schädliche Stoffe enthielt wie Manganoxid und Galenit.

Nach heutigem Verständnis ein bisschen skurril wurde es mit der Augenbrauenmode in der Antike sowohl bei den Griechen als auch bei den Römern.

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Es konnte nämlich nicht dunkel und dicht genug sein. Heute leiden die Besitzer so genannter Monobrauen, damals war es der neueste Schrei und es gab sogar Augenbrauenperücken aus Ziegenhaar!

Ein Grund dafür war allerdings auch giftige Schminke – beim hellen Grundieren des Gesichts kam nämlich, wie später auch in Japan, Bleiweiß zum Einsatz – und das verursacht Haarausfall. Was tut man nicht alles für eine noble Blässe!

Und nicht nur in den westlichen Zivilisationen war die Monobraue beliebt, sondern etwa auch in Byzanz und im später Iran, hier eine qajarische Prinzessin:

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Generell kann man sagen, dass den Augen häufig eine große Bedeutung zukam – so wurden sie durch kräftige Brauen und Khol-„Eyeliner“ umrahmt.

In anderen Teilen der Welt wurden die Brauen gar oft tätowiert, wie hier in der Zeichnung eines Maori-Kriegers von 1769:

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Dies sollte, zusammen mit einer herausgestreckten Zunge, auf Gegner im Kampf bedrohlich wirken.

Auch im Japan der Heian-Periode nahmen die Augenbrauen merkwürdige Züge an. Generell über viele Jahrhunderte rasiert und aufgemalt, waren hier für unser Auge merkwürdige „wolkenartige“ Tupfen mitten auf der Stirn en vogue:

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Aber das Abrasieren beherrschten die Europäer ebenso gut. Im Mittelalter etwa galten eine sehr hohe Stirn,  ein heller Teint und sehr feine, helle Augenbrauen als schön:
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Stirn und Augenbrauen wurden rasiert oder gezupft und mit Walnussöl versuchte man, das Haarwachstum zu unterbinden. Andere Mittel wurden eingesetzt, um die Augenbrauen möglichst zu bleichen. Seinen Höhepunkt erreichte diese Mode mit Queen Elizabeth I., die wiederum das bereits bekannte Bleiweiß auflegte und dadurch alle Gesichtshaare verlor.

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Wie so oft wurde der Trend durch sein direktes Gegenteil abgelöst und im Barock und Rococo hieß es dann wieder, dichte und kräftige Brauen vorzuweisen.

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Da aber nach wie vor die Haut mit Bleiweiß gebleicht wurde, kamen, wie schon in der Antike, „Augenbrauenperücken“ zum Einsatz – und zwar aus Mäusefell!  Scherzkekse dichteten dazu:

On little things, as sages write,

Depends our human joy or sorrow,

If we don’t catch a mouse tonight,

Alas! No eyebrows for tomorrow.

(Von kleinen Dingen, so schreiben die Weisen,

Hängt unser menschlich‘ Freud und Leid ab,

Wenn wir heute Nacht keine Maus fangen,

Gibt es für morgen leider keine Augenbrauen.)

In der Neuzeit wurde es noch einmal richtig spannend, denn mit Aufkommen des Stummfilms nahmen Mimik und Kosmetik eine noch wichtigere Rolle ein, und so wurden die ersten industriell gefertigten Beauty-Linien für Augenbrauen entwickelt.

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Zu dieser Zeit wurden die Augenbrauen im Alltag extrem dünn gezupft, mit Öl und Kosmetik nachgezogen und gepflegt. Schauspielerinnen wie Greta Garbo, Jean Harlow oder Marlene Dietrich trieben den Trend auf die Spitze, indem sie ihre Brauen vollständig rasierten und in den ikonisch hohen Bögen aufmalten.

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Das übrigens bitte nicht zuhause nachmachen: Einige Schauspielerinnen hatten nämlich das Pech, dass nach der Rasur ihre Brauen ein Leben lang nicht mehr nachwuchsen, so zum Beispiel Lucille Ball.

Dem bereits etablierten Auf und Ab der Brauen folgend, wurde es anschließend wieder natürlich-kräftig, und das hielt ziemlich lange an, wie Audrey Hepburn hier beweist:

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Wenn man die Geschichte der Augenbraue grafisch visualisieren sollte, würde sie etwa so aussehen:
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Wir befinden uns gerade etwa in Höhe des „W“, und in den 70ern geht es wieder steil abwärts mit der Brauendichte, dann in den 80ern wieder in Richtung des Herrn unten rechts (war es Ernie oder Bert?):

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Und in den 90ern wird es wieder dünn und – zumindest unter Technojüngern wie hier Marusha – auch gerne mal bunt:
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Alles in Allem hat die Augenbraue eine sehr bewegte Geschichte durchlaufen und mitgeprägt, aber – wie auch sonst in der Mode – ändern sich die Trends in der Neuzeit immer schneller. Seien wir gespannt, was sich die Menschheit noch alles einfallen lässt – viel kann ja eigentlich nicht mehr kommen, oder?